Galvanische Korrosion
– und warum Materialkombinationen wichtig sind
Das Problem verstehen
In modernen Laufrädern treffen oft verschiedene Werkstoffe aufeinander: Stahl, Aluminium und Carbon (Kohlenstoff). Diese Kombination ist technisch sinnvoll, bringt aber eine elektrochemische Herausforderung mit sich: galvanische Korrosion.
Sie entsteht, wenn unterschiedliche Metalle über Feuchtigkeit oder Schmutz elektrisch leitend miteinander verbunden sind. Dabei fließt ein kleiner Strom zwischen den Materialien – das unedlere Metall gibt Elektronen ab und oxidiert. Über die Zeit kann das zu Korrosionsschäden führen.
Warum gerade Aluminium gefährdet ist
Im System Aluminium + Stahl + Kohlenstoff ist dieses Risiko besonders groß. Aluminium liegt in der elektrochemischen Spannungsreihe weit unter Stahl, und Kohlenstoff wirkt leitend wie ein Edelmetall. Das Ergebnis: das Aluminium wird angegriffen, während Stahl und Kohlenstoff stabil bleiben.
korrodierte Aluminium-Nippel
Wo das Problem entsteht: Die Kontaktpunkte
Obwohl Carbonbauteile meist vollständig von Epoxidharz umschlossen sind, entsteht an einer entscheidenden Stelle ein direkter Kontakt zwischen Metall und Faser: an den Nippellöchern.
Diese werden nach dem Laminieren CNC-gebohrt, wodurch die schützende Harzschicht lokal entfernt wird und die Kohlenstofffasern blankliegen – genau dort, wo der Nippel aufsitzt.
Das bedeutet: selbst wenn der Rest der Felge elektrisch isoliert ist, kann an dieser winzigen Stelle eine galvanische Zelle entstehen. Der Kontakt zwischen Kohlenstoff, Feuchtigkeit und unedlem Metall führt sonst über die Zeit zu sichtbarer oder struktureller Korrosion.
Die praktischen Lösungen
Messingnippel vermeiden dieses Problem. Messing liegt vom Potential näher bei Stahl, reagiert kaum mit Kohlenstoff und ist unempfindlich gegen Feuchtigkeit.
Titan ist die Premium-Lösung. Titan ist extrem korrosionsbeständig, weil sich auf seiner Oberfläche eine dichte, schützende Oxidschicht bildet. So entsteht ein nahezu inertes System – leicht, dauerhaft und elektrisch stabil.
Polymerfaserspeichen (wie Berd) sind galvanisch unkritisch: Die Fasern selbst sind elektrisch nicht leitfähig, und ihre Gewindeenden aus Stahl passen perfekt zu Messingnippeln.
Für Interessierte: Die Wissenschaft dahinter
Das elektrochemische Prinzip
Galvanische Korrosion basiert auf einem Potentialunterschied zwischen zwei Metallen, die über ein Elektrolyt (z. B. Feuchtigkeit) verbunden sind. Das unedlere Metall wirkt als Anode und löst sich auf, das edlere als Kathode bleibt erhalten.
Das Potential jedes Metalls lässt sich über die Nernst-Gleichung beschreiben:
Je größer die Differenz der Elektrodenpotentiale (ΔE\Delta EΔE) zwischen den Metallen, desto stärker die Korrosionsneigung.
Galvanische Spannungsreihe
Je größer der Potentialunterschied (ΔE) zwischen zwei Metallen, desto höher das Risiko galvanischer Korrosion.
Kohlenstoff wirkt im System als edelster Partner.
Al = Aluminium, CuZn= Messing (Kupfer Zink Legierung), FeC = Stahl (Eisen Kohlenstoff Legierung, evtl mit Cr, Ni, Mn veredelt), Ti = Titan
ΔE = Unterschied im elektrochemischen Potential (in Volt).
Je größer der Unterschied, desto stärker die galvanische Aktivität.
Erklärung Spannungsreihe: https://de.wikipedia.org/wiki/Elektrochemische_Spannungsreihe
Die Korrosionsstromdichte steigt exponentiell mit der Potentialdifferenz:
mit R: Gaskonstante, T: Temperatur, n: Elektronenzahl, F: Faraday-Konstante
Deshalb können bereits wenige Zehntelvolt Unterschied über Jahre hinweg entscheidend sein.
Schutzmechanismen im Detail
Potentialangleichung: Verwendung von Metallen ähnlicher Edelheit (z. B. Messing statt Alu).
Passivierung: stabile Oxidschichten (z. B. bei Titan).
Isolierung: Trennung leitender Flächen durch Harz, Dichtmittel oder Polymer.
Fazit
Korrosionssicherheit entsteht nicht durch Zufall, sondern durch durchdachte Materialwahl.
Darum kombinieren wir bei AIKON jedes Bauteil so, dass es sich nicht nur mechanisch, sondern auch elektrochemisch ergänzt:
Für den Aufbau von Carbonlaufrädern mit Stahlspeichen nutzen wir ausschließlich Messingnippel. (AIKON Pro Serie)
Bei Carbonspeichen mit Titangewinde entsteht ein nahezu inertes System – leicht, dauerhaft und elektrisch stabil. (AIKON Elite Serie)
Das Ergebnis sind Laufräder, die leicht, präzise – und dauerhaft stabil bleiben.
Korrosion, Reifendruck oder Tubeless-Systeme – am Ende geht es immer um das gleiche Prinzip: Präzision in jedem Detail.
Wer versteht, wie Materialien miteinander wirken, baut Laufräder, die nicht nur leicht, sondern dauerhaft zuverlässig sind.
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Quellen und weiterführende Literatur
Dieser Artikel basiert auf etablierten elektrochemischen Prinzipien. Für wissenschaftlich Interessierte:
- [Scientific Reports (Nature): Galvanic corrosion protection of Al-alloy in contact with CFRP]
https://www.nature.com/articles/s41598-022-08727-7
- [ScienceDirect: Galvanic corrosion property of contacts between carbon fiber cloth materials and typical metal alloys]
https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0257897212011061